Der innere Schweinehund und der Zauber des Loslassens

Der innere Schweinehund hat viele Namen: Chipstüte, Couchgarnitur, Feierabendbier… Auch im Magdalena-Evangelium ist das ein Thema. Also nicht das Bier, aber dafür der Kampf mit der eigenen Komfortzone, wenn es um ein höheres Ziel geht. Doch die Lösung, die Maria Magdalena beschreibt, heißt weder Fitnessstudio noch „Sieben Wochen ohne Alkohol“ und auch nicht Ernährungsumstellung. Magdalenas Lösung kostet weder Mitgliedsbeiträge noch erhöhte Preise beim nächsten Einkauf im Discounter. Sie ist einfacher und dabei um ein Vielfaches wirkungsvoller. Wie das geht, berichtet sie in ihrer Vision.

Zunächst einmal die gute Nachricht: Das mit dem inneren Schweinehund ist eine Lüge. War ja klar. Wahrscheinlich eine Erfindung von Fitnesstrainern, für die Sport nie ein Problem war. Oder von Ernährungsberatern, die so wirken, als wären sie selbst noch nie beraten worden. Wie auch immer: Was wirklich in uns ist, ist auf jeden Fall kein Schweinehund. Gegenteilige Behauptungen sind eine Beleidigung.

In der Vision von Maria erzählt sie von einem Baum in sich selbst, der voll guter Früchte ist, wie zum Beispiel Liebe, Mut und Mitgefühl. Das reine Gegenteil von einem inneren Schweinehund. Aber sie schreibt auch von der „Schwachheit des Fleisches“ – einer wirklich in die Jahre gekommenen Umschreibung für Bequemlichkeit, die Beschränkung auf die eigene Komfortzone, die Ablehnung von Veränderung, die eigentlich gut und nötig wäre. Aber was genau schwächt denn nun das eigene „Fleisch“?

In diesem Zusammenhang nennt sie sieben Kräfte, die einen von den Früchten des Baumes fernhalten. Sieben starke Kräfte und dunkle Einflüsse auf das eigene Leben. Nicht selten haben sie die Macht, das eigene Verhalten so stark zu beeinflussen, als würde ein automatisches Skript ablaufen. Wer sich zum Beispiel von einer Situation „getriggert“ fühlt, weiß genau, was gemeint ist.

Diese sieben Kräfte sind Verachtung, Zorn, Ignoranz, Intoleranz, Falschheit, Arroganz und Täuschung. Sie binden mitunter extrem viel Energie und werden auch, in einem vermutlich späteren Bericht über diese Vision [1], wie Naturgewalten beschrieben. Für die guten Vorsätze, wie man eigentlich leben möchte, bleibt dann nicht mehr viel Energie übrig. Schließlich ist man ja „getriggert“ – da kann man nichts machen, oder? Außerdem gibt es ja gute Gründe, aus denen diese dunkleren Seiten in einem selbst einmal entstanden sind. Hat also alles seine Berechtigung.

Und so ganz unpraktisch ist es vielleicht manchmal auch gar nicht, sich von diesen Naturgewalten leiten zu lassen. Zum Beispiel Täuschung als Mittel, um eigene Ziele zu erreichen. Ignoranz, um die eigene Meinung durchzusetzen. Falschheit, um sich leichter durch Konflikte zu lavieren. Wirkungsvolle Tools.

Deshalb ist es auch die eigene Entscheidung, mit welchen Energien man lieber leben möchte. Wer ignorant bleiben möchte, darf es bleiben und auch Zorn wird nicht verboten. Aber diese Energien versperren den Zugang zu den eigenen inneren Qualitäten: Liebe und Mitgefühl gibt es im Tausch gegen Verachtung und Zorn. Auf dem nächsten Level dann Weisheit und Verständnis im Tausch gegen Ignoranz und Intoleranz usw.

Die „Schwachheit des Fleisches“ wird übrigens erst auf Level 4 freigeschaltet. Daher macht es Sinn, sich nicht weiter durch die genannten sieben dunklen Energien binden zu lassen, wenn man ernsthaft den „Schweinehund“ bekämpfen will, der unter dem Decknamen „Schwachheit des Fleisches“ in Magdalenas Vision als achter Energieräuber geführt wird. Sie schreibt:

"And then there came the fourth bough, blossoming with the fruit of strength and courage. And I heard him [Yeshua] tell me that to eat of this fruit, you must have freed yourself from the weakness of the flesh and confronted and conquered the illusion of your fears. And the master of the world stood before me and claimed me as his own, but I denied him and he had no part in me."

aus dem Magdalena-Evangelium, Kapitel 42, Vers 9, in [2]

Eigene Übersetzung des englischen Textes:

Und dann kam dort der vierte Ast, der mit der Frucht von Stärke und Mut erblühte. Und ich hörte ihn [Jesus], wie er mir sagte, dass, um diese Frucht zu essen, du dich von der Schwachheit des Fleisches befreit haben musst, dich mit der Illusion deiner Ängste konfrontiert und sie überwunden haben musst. Und der Meister der Welt stand vor mir und nannte mich sein Eigen, aber ich verweigerte mich ihm und er hatte keinen Anteil an mir.

Zum Glück ist es kein innerer Schweinehund, sondern eher ein externer Mitarbeiter, den man vor die Tür kicken kann – wenn man die richtigen Entscheidungen trifft, mit welchen Energien man wirklich leben möchte.

Letztendlich ist dieser Weg eine Befreiung. Denn die Früchte am Baum aus der Vision sind kein fernes, exotisches Obst aus Übersee, sondern sie sind jedem einzelnen von uns ganz nah: Sie stehen für all das, was eigentlich unsere wahre Natur ist.

Bereit, sie wieder zu entfalten?

 

Literaturquellen:

  1. Das Evangelium nach Maria, in: Nag Hammadi Deutsch, Studientexte, Hans-Martin Schenke et al. (eds.), 3. Auflage, De Gruyter, 2013, https://doi.org/10.1515/9783110312355
  2. Jehanne de Quillan, The Gospel of the Beloved Companion – The Complete Gospel of Mary Magdalene, 2. Auflage, Éditions Athara, Ariège, Frankreich, 2011, ISBN 978-1-4528-1072-0.