… habe ich mich neulich gefragt. Moment? Ist Nächstenliebe nicht sogar zentral für den christlichen Glauben? Könnte man zwar meinen, aber wenn man auf das Credo der Kirche, also das Glaubensbekenntnis, schaut, kommt man ins Zweifeln. Dort kommt das Wort Liebe nicht vor. Warum? Und: wie lange noch?
2025 wäre ideal, um das Glaubensbekenntnis zu ändern. Nur ein kleines Update, aber es würde enorm helfen, um die Jahreslosung konstruktiv umzusetzen, denn die ist in diesem Jahr: „Prüft alles, behaltet das Gute.“
Aber: Das christliche Glaubensbekenntnis ändern - geht das überhaupt? Die evangelisch-methodistische Kirche zum Beispiel macht es vor. Sie hat den Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Umweltschutz explizit als soziales Bekenntnis ergänzt.
Ist das sinnvoll? Anweisungen zum sozialen Handeln in einem Glaubensbekenntnis? Schließlich geht es doch um den Glauben. Nun ja, vielleicht geht ein soziales Bekenntnis schon recht weit. Aber man könnte zumindest vielleicht im Credo ergänzen: „Ich glaube an die christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen mit dem Auftrag, Liebe und Licht in die Welt zu tragen…“ (ergänzter Text ist kursiv gedruckt)
Die Grundlage für christliches Handeln ist schließlich: Liebe - Nächstenliebe, Feindesliebe, die Liebe zu Gott und zu sich selbst. Wer heiratet, einigt sich doch nicht nur auf das, was man füreinander tun will (und was man bleiben lassen möchte), sondern es geht um Liebe, um eine Verbindung. Ist ansonsten etwas dünn. Also, zumindest Liebe könnte im Glaubensbekenntnis erwähnt werden.
Wenn man über den europäischen Tellerrand hinausgeht, ist übrigens die Version der afrikanischen Massai spannend, die das Glaubensbekenntnis in ihre Kultur übersetzt haben. Sie beschreiben dabei unter anderem das Leben von Jesus als Wanderprediger als Safari.
Muss das sein? Ist das Credo nicht auch ein Zeitdokument, das sich als Bestandteil der abendländischen Kultur erfolgreich durchgesetzt hat?
Wenn diese Geschichte wirklich so erfolgreich gewesen wäre, dann würde man heute keine Festgottesdienste abhalten müssen, bei denen die Zusammenlegung von Kirchengemeinden gefeiert wird – im Grunde ein Fest anlässlich des Stellenabbaus wegen immer weiter sinkender Mitgliederzahlen der Kirche.
Glauben in die eigene Kultur zu übersetzen ist also offensichtlich sinnvoll, schließlich ist das Glaubensbekenntnis möglicherweise nicht mehr ganz aktuell: Seine wesentlichen Inhalte wurden im 4. Jahrhundert nach Christus festgelegt.
Nein, das Glaubensbekenntnis ist nicht von Jesus selbst geschrieben. Es kam mit 300 Jahren Verspätung inklusive einer ganz kurzen Phase (ca. 40 Jahre) rein mündlicher Überlieferung.
Seit 325, dem Jahr des nizänischen Glaubensbekenntnisses, hat sich die Welt ein bisschen verändert. Unter anderem die Situation von Frauen in der Kirche. Zumindest in manchen Kirchen.
Vor 325 gab es übrigens eine deutlich größere Vielfalt im Christentum. Darunter waren auch Strömungen, in denen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern selbstverständlich war, auch in geistlichen Führungspositionen.
Und der Sinn des nizänischen Glaubensbekenntnisses von 325 war es auch, die rote Linie der Kirche zu definieren: Was ist der richtige Glaube und welche christlichen Strömungen sind als Ketzerei abzulehnen?
So enthielt das Credo von 325 Worte der Verdammung für Andersdenkende – ein Spiegel für den Beginn einer Zeit, in der Anhänger abweichender christlicher Strömungen exkommuniziert, deren Gemeindebesitz enteignet, private Versammlungen verboten wurden. Das traf bei weitem keine Minderheit, sondern knapp die Hälfte aller Christen im Römischen Reich [1].
So wurde aus der Christenverfolgung der ersten Jahrhunderte die Verfolgung von Christen durch andere Christen. Bis hin zu einem Kreuzzug gegen Christen in Frankreich und der Einführung der Inquisition im Mittelalter.
Dabei wurden auch viele Schriften andersdenkender Christen verboten und viele Evangelien vernichtet, von denen heute nur noch wenige Exemplare erhalten sind, zuweilen nur unvollständig.
Der folgende Vers aus dem Evangelium nach Philippus, von der Kirche verboten, zum Beispiel, hätte zu einem anderen Glaubensbekenntnis geführt:
„Einige sagten: „Maria ist schwanger geworden vom Heiligen Geist“. Sie irren sich! Sie wissen nicht, was sie sagen. Wann wäre je eine Frau von einer Frau schwanger geworden?“
Evangelium nach Philippus, Spruch 17a, [2]
Damit würde es im Credo vielleicht heißen: „Ich glaube an Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus…“ und auch „Ich glaube an den Heiligen Geist, unsere göttliche Mutter auf Erden …“. Wäre einen Versuch wert, denke ich.
Aber vielleicht sind Diskussionen zu Jungfrauengeburt und dem Wesen des Heiligen Geistes nicht der allernächste Schritt für ein Update des Glaubensbekenntnisses. Schließlich ist das Christentum ja keine Meinungsreligion. Meine ich zumindest. Hm, also vielleicht einfach zurück zur Frage vom Anfang:
Nächstenliebe als unverzichtbarer Bestandteil des christlichen Glaubens – wäre das etwas, wozu man sich bekennen könnte? Wenigstens einmal probehalber im Jahr 2025?
Man könnte sich dafür die afrikanischen Massai zum Vorbild nehmen. Nicht das mit der Safari, sondern ihren Text über das Leben und Wirken von Jesus. So etwas fehlt in unserem Glaubensbekenntnis und das hat mich schon immer irritiert: „geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus“ – und dazwischen? Hat er irgendetwas Besonderes gesagt oder getan?
Mit einer kleinen afrikanischen Ergänzung könnte es dann heißen: „Ich glaube an Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria. Er tat Gutes, heilte Leute durch die Macht Gottes, lehrte über Gott und die Menschen und zeigte, dass die Bedeutung der Religion Liebe ist. …“
Wäre das einen Versuch wert? Eine kleine Erinnerung an die Liebe könnte manche Entscheidungen einfacher machen. Denn mit der Frage nach der Liebe lassen sich dann auch viele andere Fragen besser prüfen, z.B. die kirchliche Trauung (und nicht nur Segnung) gleichgeschlechtlicher Paare - hat aus meiner Sicht etwas mit Liebe zu tun.
Wäre ein guter Vorsatz für die Kirche in 2025: Glaubensbekenntnis aktualisieren, mit der Gemeinde ausprobieren, und das Gute behalten.
Literaturquellen:
[1] Elaine Pagels, Das Geheimnis des fünften Evangeliums, 8. Auflage, dtv Verlag (2016), ISBN 978-3-423-34333-6.
[2] Das Evangelium nach Philippus, in: Nag Hammadi Deutsch, Studientexte, Hans-Martin Schenke et al. (eds.), 3. Auflage, De Gruyter, 2013, https://doi.org/10.1515/9783110312355