Zum Schweigen gebracht

Papyrus Oxyrhynchus L 3525, griechisches Bruchstück mit Teil des Evangeliums der Maria. Bildrechte: Public Domain, Quelle: Wikipedia

Manche Dinge sollte man am besten von den Experten lernen. Maria Magdalena war eine solche Expertin. Während seine Jünger Jesus als „Rabbi“ anredeten, sprach sie ihn mit „Rabbuni“ an. Als seine Meisterschülerin war diese Anrede ihr Privileg. Denn sie hatte wirklich verstanden, worauf es ankommt, wenn es darum geht, dunkle Energien zu überwinden. Aber wer will so etwas eigentlich heute noch lernen?

Maria Magdalena hat ihre Erfahrungen an andere Menschen weitergegeben. Aber so richtig populär ist ihre Lehre nie geworden. Über die Jahrhunderte hinweg haben sich andere Strömungen gegenüber der ursprünglichen Vielfalt des Christentums durchgesetzt und sich schließlich im vierten Jahrhundert zu der Institution formiert, die wir heutzutage als Kirche kennen.

Die Stimme von Maria Magdalena hingegen verstummte, ebenso wie auch die Stimmen aller anderen Frauen. Ihnen sprach der Apostel Paulus bereits im ersten Jahrhundert das Recht ab, öffentlich in der Gemeinde zu sprechen, und, wie man es auch noch heute in der Bibel nachlesen kann, er verdammte sie zum Schweigen. Der verhängnisvolle Auftakt zu Jahrtausenden „christlich“ begründeter Frauenfeindlichkeit – tragisch, gewaltsam und voller Dummheit.

Trotz allem ist Maria Magdalenas Erfahrungsschatz nicht vollkommen verloren gegangen. In zwei unterschiedlichen Dokumenten ist das überliefert, was wahrscheinlich die Essenz ihrer Lehre ausgemacht hat – eine faszinierende Vision mit einer konkreten Wegbeschreibung bzw. Anleitung für die Überwindung dunkler Energien. Schattenarbeit sozusagen, überliefert im „Evangelium der Maria“ sowie im „Evangelium der geliebten Gefährtin“, auch als Magdalena-Evangelium bezeichnet.

Natürlich streiten sich die Theologen über die Echtheit dieser Dokumente, und das wird auch sicherlich noch eine Weile so weitergehen. Das Marienevangelium wurde im Jahre 1896 in Ägypten entdeckt, das Magdalena-Evangelium erst im Jahr 2010 in Frankreich veröffentlicht. Bis es da Klarheit über die Authentizität gibt, wird in der Forschung möglicherweise noch ein paar Jahrhunderte diskutiert werden… Aber in der Zwischenzeit?

Die Texte sind einfach zu gut, um sie solange beiseite zu legen. Sie liefern wertvolle Inspirationen dafür, das eigene Leben lichterfüllt zu gestalten. Sie beinhalten zentrale Elemente für die Schattenarbeit: Akzeptanz – Verständnis – Wahrnehmung – Besinnung – Entscheidung und Verbindung.

Vielleicht magst du ihre Schriften einfach selbst im Original lesen – hier jetzt meine Top 5 Buchtipps:

Das Evangelium nach Maria, also die ägyptische Überlieferung, findest du in einer kommentierten Ausgabe zum Beispiel hier:

Jean-Yves Leloup, Evangelium der Maria Magdalena, 8. Auflage, Heyne-Verlag, 2008, ISBN 978-3-453-70092-5

Für den Einstieg eignet sich allerdings wahrscheinlich die französische Version besser, also das Magdalena-Evangelium. Allerdings ist sie nur auf Englisch oder Französisch erhältlich. Aber wenn das für dich funktioniert, lohnt es sich auf jeden Fall:

Jehanne de Quillan, The Gospel of the Beloved Companion – The Complete Gospel of Mary Magdalene", 2. Auflage, Éditions Athara", Ariège, Frankreich, 2010, ISBN 978-1-4528-1072-0.

Mehr über die Hintergründe zu Maria Magdalena und ihrer eigentlichen Bedeutung für den christlichen Glauben findest im Buch von der US-amerikanischen Priesterin und Mystikerin Cynthia Bourgeault: Maria Magdalena - Die Frau im Herzen des Christentums, Chalice-Verlag, 2022, ISBN 978-3-942914-53-6

Und wenn du tiefer in die wissenschaftliche Diskussion dieser Evangelien eintauchen möchtest, empfehle ich dir für das Magdalena-Evangelium das Buch der niederländischen Historikerin und Theologin Dr. Annine van der Meer: Mary Magdalene Unveiled, 1. Auflage, Pan Sophia Press, 2021, ISBN 978-90-833189-0-5.

Außerdem findest du eine eingehende Diskussion des Evangeliums nach Maria bei der Theologin Dr. Esther A. de Boer in: The Gospel of Mary, T&T Clark International, London, 2004, ISBN 0-8264-8001-2.

Und jetzt: Auf zum Warenkorb und viel Spaß beim Lesen.