Reich Gottes im Bierkrug gefunden

Wo wohnt Gott? Und wie sind die Öffnungszeiten? Auf Google Maps kommt man mit dieser Suchanfrage nicht sehr weit: Grüß-Gott-Weg, Kurhaus "Zum Alde Gott", Missionswerk Friede mit Gott usw. Und das meiste davon hat abends geschlossen. Am Ende der Liste fragt Google Maps: Suchst du einen anderen Ort? Möchtest du einen fehlenden Ort hinzufügen? Im Evangelium nach Magdalena gibt Jesus eine deutliche Antwort zum Wo? und Wann?, was das Reich Gottes angeht.

"Only from the truth I tell you, it [the kingdom] will not come by watching for it.
It will not be said, 'Look here!' or 'Look there!'
Rather, the kingdom is spread out upon the Earth, and people do not see it.
If your leaders say to you 'Look, the kingdom is in the sky,' then the birds of the sky will precede you. If they say to you, 'It is in the sea,' then the fish will precede you.
Rather, the kingdom is within you and it is outside you.“

aus dem Magdalena-Evangelium, Kapitel 30, Vers 7-8, in [1]

Eigene Übersetzung des englischen Textes:

"Wahrlich, ich sage euch: Es [das Reich Gottes] kommt nicht dadurch, dass ihr danach Ausschau haltet. Es wird niemand sagen: 'Schau, hier ist es!' oder 'Siehe, dort drüben!' Vielmehr ist das Reich Gottes über die Erde ausgebreitet und die Menschen sehen es nicht.
Wenn eure Anführer sagen: 'Schaut, das Reich Gottes ist im Himmel.', dann werden die Vögel des Himmels bereits vor euch dort sein. Wenn sie euch sagen: 'Es ist im Meer.', dann sind die Fische euch voraus. Vielmehr ist das Reich Gottes in euch und es ist außerhalb von euch."

Ok, hilft das jetzt wirklich weiter? Zumindest ist klar, was wir uns sparen können: Die Frage nach dem Wo? und Wann? führt nicht weiter, sondern ist ungefähr so zielführend wie die Frage "Um wieviel Uhr liegt Stuttgart?" oder "Wo ist endlich Feierabend?". Ungültige Suchanfrage.

Zum Glück wird Jesus konkreter, wo das Reich Gottes denn stattdessen zu finden ist: über die Erde ausgebreitet - aber nicht zu sehen; in euch - und außerhalb von euch. Aber so richtig konkret ist das noch nicht. Um der Antwort etwas näher kommen, empfehle ich, einmal tief ins Glas zu schauen. An einem Maßkrug mit Bier lässt sich ganz gut erklären, "wo" das Reich Gottes möglicherweise zu finden ist. Und wo nicht.

Zunächst noch einmal, wo es nicht zu finden ist. Häufig kreisen Diskussion über Gott um Fragen wie "Woher kommt das?", "Wie erklärst du dir, dass...?" usw. Als Antwort kommen dann irgendwelche Begründungen, die dann die nächsten Fragen nach sich ziehen. Und spätestens bei der Antwort "am Anfang war halt Gott und der hat's erschaffen" wird bei der Frage "und woher kommt dann Gott?" klar, dass sich eine Kette von Ursache und Wirkung beliebig weit in die Vergangenheit verlängern lässt. Und die "allererste" Ursache ist dann von einer Reihe Fragezeichen umgeben und erscheint wenig vertrauenswürdig.

Liegt übrigens nicht an Gott. Mit dem Urknall wird es auch nicht besser. Zwar lässt sich Energie in Materie verwandeln und auch wieder zurück, aber verloren geht dabei nichts. Die Gesamtenergie in einem abgeschlossen System bleibt immer gleich groß. Energie kann nur verwandelt, aber weder erzeugt noch vernichtet werden. Eine goldene Regel aus der Physik. Aber warum ist die Energie überhaupt von Anfang an da, schon "vor" dem Urknall? Wo kommt die Energie her?

"Weil halt..." bleibt als entnervte Antwort am Ende übrig, wie bei jeder endlosen Fragekette von Kindergartenkindern. Das Problem liegt in der Kette selbst.

Wir sind es gewohnt, in Zusammenhängen von Ursache und Wirkung zu denken. Damit das aber überhaupt geht, brauchen wir Raum und Zeit. Eine Ursache geschieht zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem konkreten Ort, und die zugehörige Wirkung erscheint zu irgendeinem späteren Zeitpunkt, möglicherweise am gleichen Ort, vielleicht aber auch woanders. Allerdings erscheint die Wirkung nicht vor der Ursache, sondern danach. Weil Zeit die Struktur bietet, damit Kausalität (Ursache und Wirkung) überhaupt funktioniert.

Genauer gesagt ist übrigens Raumzeit so beschaffen, dass eine Wirkung auch von der Ursache aus erreichbar sein muss. Erst wenn das geht, maximal mit Lichtgeschwindigkeit, liegt die Wirkung möglicherweise überhaupt im sogenannten Zukunftslichtkegel der entsprechenden Ursache, ansonsten gehören die beiden Ereignisse nicht direkt kausal zusammen.

Wer sagt aber, dass es ausschließlich diese Raumzeit-Struktur gibt und ansonsten nichts weiter? Nur, weil wir es gewohnt sind, in diesen Strukturen zu denken?

Die Urknalltheorie ist da erstaunlich tolerant. Sie besagt lediglich, dass im Urknall Raum und Zeit entstanden sind. Über das "Drumherum" (was leider auch nur ein räumlicher Begriff ist), erfahren wir dabei nichts. 

Ich stelle es mir wie ein gut gefüllten Bierkrug vor: Unten das Bier, oben die Schaumkrone. Die Schaumkrone hat die Struktur, das Bier darunter nicht. Das Universum, bzw. die Raumzeit, in der wir uns gedanklich orientieren, hat die Struktur, dort funktioniert ein Denken in Ursache und Wirkung. Jesus sagt, dass in dieser Struktur das Reich Gottes nicht konkret zu finden ist. Kein konkreter Zeitpunkt, wann es losgeht, und kein konkreter Ort, wo es zu finden ist.

Dem Wesen nach jedoch besteht die Schaumkrone aus Bier und Luft, ist also komplett von Bier durchzogen und sieht trotzdem ganz anders aus. Ähnlich ist es wahrscheinlich mit dem Reich Gottes: Die Welt um uns herum und auch wir selbst sind komplett vom Göttlichen durchdrungen, aber unsere Wahrnehmung ist in der Regel so strukturiert, dass wir nichts davon erkennen - "über die Erde ausgebreitet und die Menschen sehen es nicht".

Das Göttliche mag jenseits unseres raumzeitlichen Denkens liegen, aber es ist nicht "jenseits" im Sinne von "ganz woanders" oder "irgendwann einmal". Sondern der göttliche Funken ist in uns, ganz nahe, und trotzdem nicht lokalisierbar, eben "in euch und es ist außerhalb von euch", beziehungsweise tiefer im Bierkrug.

Unter der Schaumkrone wartet das Wesentliche. 

[1] Jehanne de Quillan, The Gospel of the Beloved Companion – The Complete Gospel of Mary Magdalene, 
2. Auflage, Éditions Athara, Ariège, Frankreich, 2011, ISBN 978-1-4528-1072-0.